Praghort: Ein sagenhafter Schatz in der Nähe von Prag? – Was Sagen über den Verbleib von Schätzen verraten können.
Die Verbindung aus Sagenforschung, der sich für gewöhnlich Germanisten widmen, und Archäologie ermöglicht spannende Erkenntnisse, die über das Auswerten von literarischen Motiven und das Untersuchen bereits gemachter Funde hinaus gehen, weshalb ich mich derartigen Betrachtungen bereits vor einigen Jahren im Rahmen meiner Bachelorarbeit widmete. Bei der Kombination der beiden Fachgebiete steht eine Frage im Mittelpunkt: Ist es tatsächlich möglich, durch die Ergebnisse dieser Betrachtungen einen verborgenen Schatz ausfindig zu machen? Betrachten wir also die vorliegende Volkssage aus dem Böhmer-Wald genauer.
Unter einer Volkssage versteht man eine kurze, zunächst rein mündlich weiter getragene Erzählung, die zwischen Legende und Märchen einzuordnen ist. Ihre Inhalte übersteigen in aller Regel die Wirklichkeit, auch wenn genannte Orte, Personen und Ereignisse häufig existent sind/waren, wodurch der Sage ein gewisser Wahrheitsanspruch zugesprochen werden muss. Die vorliegende Sage erweist sich hinsichtlich ihrer Motivik als typische Schatzgräbersage, wie man sie in allen Regionen Deutschlands finden kann:
Die Involvierung des Teufels bzw. des personifizierten Bösen in einer Warnfunktion ist charakteristisch, denn auf diese Weise sollte schon bei der Erzählung zum Ausdruck gebracht werden, dass ein Suchen des Schatzes gefährlich, unheilvoll und in vielen Fällen sogar todbringend ist. Dies zeigt sich auch darin, dass der „Preuß“ kurzzeitig in Lebensgefahr gerät.
Gängig ist auch eine Art Prüfung, welche die Schatzgräber im Vorfeld bestehen müssen; hier konkret gefasst durch die Besorgung der drei Schwarzbücher und deren Kosten.
Die Schatzbergung scheitert am Ende oder die Schatzsucher gehen leer aus; in dieser Sage wird ihnen der Schatz einfach weggenommen und sie haben gar 600 Gulden wegen der Anschaffung des Buches verloren.
Wesentlich interessanter als diese Motivik ist jedoch der Inhalt, denn dieser stellt den eventuellen, regionalen Bezug zur Realität her:
Der Schatz liegt „zwei Ellen unter der Erde“. Eine Elle war allerdings nie eine einheitliche Maßeinheit. Eine Prager Elle misst 0,593cm. Knappe 1,20m erscheinen durchaus als realistische Tiefe für die Schatzsuche.
Die Schatzbeschreibung „halber Strich Gold und Silber“ erinnert nicht an eine menschliche Deponierung, sondern vielmehr an eine natürliche Gold- bzw. Silberader. In der tschechischen Stadt Eule, die unweit des Prager Stadtzentrums liegt, wurde schon in keltischer Zeit Gold abgebaut, aufgrund der lukrativen Mienen erhielt der Ort 1350 sogar das Münzrecht. Vielleicht ist es dieser Ort „hinter Prag, wo ein Schatz“ liegt?
Der lebensrettende Ausruf des Preußen „Jesus Maria Josef“ könnte sogar auf das Schicksal des Örtchens Eule hinweisen, denn nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde es von den meist protestantischen Goldsuchern aufgrund der beginnenden Rekatholisierung verlassen und dadurch weit zurückgeworfen.
Die genannte Kreisstadt Pisek war vom späten Mittelalter bis in die Neuzeit hinein nicht nur ein Stützpunkt der königlichen Macht, sondern auch ein bedeutsamer Ort zur Goldwäsche aus dem goldsandhaltigen Fluss Wottawa, welcher der Stadt zu viel Reichtum verhalf.
Gemäß all diesen Indizien ist ein wahrer Kern dieser Volkssage naheliegend. Allerdings handelt es sich bei dem Schatz nicht um Münzen, Schmuck oder andere Kostbarkeiten aus menschlichem Besitz, sondern um Gold aus einer natürlichen Ader, das dem (katholischen) Schatzsucher viel Arbeit, aber nicht viel Glück brachte, dafür aber die Kassen der Mächtigen zu füllen vermochte. Es lohnt sich also immer, einen Blick in ein regionales Sagenbuch zu werfen, um etwas über eventuelle Schatzverstecke zu erfahren – denn wenn man Sagen richtig liest, sind sie weitaus mehr, als bloß unterhaltsame Geschichten.
Bei der Suche nach dem Praghort, bitte mit den für Prag zuständigen Archäologen zusammenreden und sicherstellen das dortige Denkmal- und Fundrecht zu kennen und zu achten.